Hans Schmitt. Menschliche Moderne

Ausstellung im Buchheim Museum vom 5. April bis 22. Juni 2014

PDF-Flyer zur Ausstellung

Die Ausstellung präsentiert Hans Schmitt als den Meister einer menschlichen Moderne. Neben Skulpturen und Bildern von Hans Schmitt aus der Sammlung Schaffner und aus dem Buchheim Museum tragen dazu auch Fotografien von Lothar-Günther Buchheim, Emanuel Gronau und Stefan Moses bei. Sie zeigen den Künstler mit seinem Werk, bei der Arbeit oder in seinem Lebensumfeld. Speziell für diese Ausstellung ist der Sonderausstellungshalle erstmals seit der Eröffnung des Buchheim Museums 2001 in seiner ursprünglichen Konzeption durch Günter Behnisch als Tageslichtraum erlebbar.

Wer war Hans Schmitt?

Hans Schmitt wurde 1912 in Frankfurt am Main geboren. Erst in seinen Endfünfzigern begann er eine bemerkenswerte künstlerische Karriere zu entwickeln. Schon davor hatte er gemalt, aber erst, als er um 1968 damit begann, aus Holzresten und Abfallteilen Skulpturen zusammenzufügen, erlangte er internationale Beachtung. Viele Museen und Galerien haben seine Arbeiten gezeigt. Sein Werk ist in vielen öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten. Die höchste Würdigung erfuhr er postum: Als der berühmte Schweizer Kurator Harald Szeemann damit betraut wurde, die Biennale 2001 in Venedig zu organisieren, wählte er eine Reihe von Schmitts Skulpturen aus, um sie dort an zentraler Stelle in seiner Platform of Thoughts zu präsentieren.

»Wer«, so fragte die 1992 verstorbene Münchner Schriftstellerin und Schmitt-Förderin Gisela Pfeiffer, »war je so wenig vorbereitet auf solchen Ruf?« Er sei die »unzureichendste Blindschleiche noch unterhalb jener sozialen Leiter« gewesen, »auf der normale Menschen gesellschaftlich mitklettern dürfen.« Er war in verschiedenen Pflegefamilien aufgewachsen. Eine weiterführende Schulbildung hatte er nicht genossen. Bereits als 12-Jähriger hatte er zu arbeiten begonnen. Als Kuhhirte, Bäckergeselle, Bauersknecht, Kohlenträger, Hoteljunge, Gemeindediener und beim Reichsarbeitsdienst hatte er seinen Lebensunterhalt verdient. Im Zweiten Weltkrieg hatte er als Soldat an der Ostfront einen Arm verloren. Zwei Ehen scheiterten.

Naive Kunst, Art brut, Outsider Art?

Seiner sozialen Herkunft und seiner schlechten Bildungsvoraussetzungen wegen wurde Schmitts Werk bislang der »Naiven Kunst«, der »Art brut« oder der »Outsider Art« zugeordnet. Wenn nun im Buchheim Museum Hans Schmitt als Meister einer menschlichen Moderne präsentiert wird, so ist dies als Einladung zu verstehen, alle bisher unternommenen Kategorisierungsversuche fahren zu lassen – und unbefangen die herausragenden Qualitäten seiner Arbeiten in Betracht zu nehmen. Erst im Laufe der Jahre seines Erfolges, der sich um 1970 mit Auftreten des Sammlers Hans Schaffner und verstärkt um 1975 mit der Unterstützung Gisela Pfeiffers einstellte, verwandelte sich Schmitt jener Naivität an, die ihm sensationslüsterne Kunstkritiker von Beginn an angedichtet hatten. Doch vor allem Schmitts Frühwerk aus den 1960er und 1970er Jahren macht deutlich, dass er nicht jener unverbildete Außenseiter war, als den ihn die Kunstkritik immer begeistert dargestellt hat.

Schmitt und die Moderne

Die Holzskulptur einer Tänzerin von 1969 mit ihrer splitterigen Zusammensetzung aus kleinen Holzteilen und die Dame in Grau von 1970 mit ihren harkenförmigen Händen, dem Mund in der Seitenansicht und den Augen in der Frontalansicht wären ohne eine Kenntnis von Picasso und dem Kubismus gar nicht denkbar. Im Kolorit seiner Plakagemälde zeigt er sich durch den deutschen Expressionismus beeindruckt. Das Bild Pferd und Vogel von 1968 zeigt Kenntnisse von Franz Marc. Ein Eine geometrisch ins Bild gesetzte Katze von 1983 verrät eine augenzwinkernde Auseinandersetzung mit dem Konstruktivismus. Die verschrobenen Mischwesen und verzerrten Raumsituationen, die sich allenthalben auf Schmitts Bildern finden, sind als Auseinandersetzung mit dem Surrealismus zu erkennen. Bei seinen Wachskreidezeichnungen fällt eine Leichtigkeit der Linienführung auf, die an den Expressionismus eines Willem de Kooning denken lässt. Auch durch seinen unverkrampften Zugriff auf Elementen des Comic, der Fotografie, der Konsumwelt und der Populärkultur erweist sich Schmitt nicht als Künstler neben der Zeit, sondern als Künstler in seiner Zeit. In einer Collage von 1969 gruppiert Schmitt Zeitschriftenausrisse mit Kunstwerken, darunter von Ingres, van Gogh und Picasso um eine rote Sonne in Gestalt eines Plastikdeckels. Darunter finden wir eine aufgeklebte Farbtube. Die Künstler der Pop-Art, allen voran Robert Rauschenberg und Roy Lichtenstein, haben nur kurz vor ihm mit ganz ähnlichen Mitteln zu arbeiten begonnen.

Die menschliche Dimension

Es besteht kein Zweifel daran, dass Schmitt Kenntnisse von den Strömungen der Moderne hatte und diese auf eigenständige Weise weiterverarbeitete. Sein Verdienst ist es vor allem, dass er dem oft kühl und unnahbar wirkenden Konzeptualismus der Moderne etwas entgegenzusetzen hatte: Sein mit hohem Leidensdruck und großer Liebessehnsucht hervorgebrachtes Werk hat eine menschliche Dimension, wie wir sie in dieser Unmittelbarkeit nur höchst selten im Kunstbetrieb finden. Dies liegt zum einen an den unedlen Materialien, die uns aus dem Alltag vertraut sind. Zum anderen sind es die Personen, die Schmitt mit Säge, Hammer und Farbe aus diesen Stoffen entstehen ließ. Mit ihren körperlichen Unzulänglichkeiten und den Emotionen, die ihnen ins Gesicht geschrieben sind – Liebe, Freude, Hoffnung, Trauer, Angst – fordern sie die Empathie des Betrachters heraus. So gelingt es Schmitt, mit ungehobelten Holzresten, Kunststoffabfällen, Hanfwolle und Bürstenköpfen vor unserem inneren Auge eine lebendige Person aus Fleisch und Blut erstehen zu lassen. Dank einer formal und farblich wohl gesetzten Komposition erstrahlen all seine tragischen Figuren in einer eigentümlichen Schönheit. Vielleicht ist es dies, was uns Betrachtern von Schmitts Figuren Glücksgefühle bereitet: dass sich das Chaos des Lebens durch Phantasie in Harmonie verwandelt.

Schmitt in neuem Licht

Speziell für diese Ausstellung ist der Sonderausstellungshalle erstmals seit der Eröffnung des Buchheim Museums 2001 in seiner ursprünglichen Konzeption durch Günter Behnisch erlebbar. Die zum Lichtschutz angebrachten Abdeckungen der Deckenfenster wurden entfernt, ebenso wie die Fensterverdunklungen. Die Besucher können somit in der Schmitt-Schau Ausblicke auf die Teichlandschaft des 1855 von Carl von Effner angelegten Parks und auf den Starnberger See genießen. Trotzdem ist der Lichtschutz für die Kunstwerke gewährleitet. Die mit einem Micro-Sonnenschutzraster ausgestatteten Deckenfenster reflektieren das direkte Sonnenlicht und lassen nur diffuses Tageslicht herein. Dies ist für die weniger empfindlichen Holzskulpturen und Plakagemälde hinreichend. Die empfindlicheren Arbeiten auf Papier werden zusätzlich durch Wände und die Galerie vor Licht geschützt.


Hans Schmitt in Walchstadt zwischen 1975 und 1980. Foto: Lothar-Günther Buchheim


Veranstaltungen

Eröffnung, Samstag, 5. April 2014, 17 Uhr
HANS SCHMITT  Menschliche Moderne
Es sprechen: Kurt Faltlhauser, Mitglied des Vorstands der Buchheim-Stitung und Daniel J. Schreiber, Direktor. Es spielen: SpuimaNovas mit Stefan Straubinger, (Bandoneon, Drehleier), Max Flossmann (Kontrabass), Eva Straubinger (Dudelsack, Blockflöte, Klarinette) Die Ausstellung ist am Eröffnungstag von 10 bis 17 Uhr bereits für alle Besucher geöffnet.

Ostersonntag, 20. April, 15 Uhr
Wer war Hans Schmitt?
Öffentliches Gespräch mit Hans Schaffner, Schmitts erstem Sammler, und Wolfgang Görl, Reporter und Streiflicht-Autor der Süddeutschen Zeitung, Moderation von Daniel J. Schreiber, Direktor des Buchheim Museums. Teilnahme frei mit gültiger Eintrittskarte.

Sonntag, 4. Mai 2014, 15 Uhr
Bayerisch, erdig, hantig
Exzessive Musikperformance von Stefan Straubinger, inspiriert von traditioneller bayerischer Musik, Funk, Jazz, Rock, Pop und Tango, mit urbayerischen Instrumenten und Stimme. Teilnahme frei mit gültiger Eintrittskarte.

Samstag, 12. April, 17. Mai, 7. Juni, 14.30 bis 17.30 Uhr
Phantasien in Holz
Workshop à la Schmitt für Kinder ab 8 Jahren mit Dagmar Baginski. Es wird gesägt, gehämmert und gepinselt, bis die Traumfigur fertig ist. Teilnahme 8 € inkl. Materialkosten. Bitte buchen Sie unter tel.: 08158/99 70 50 oder info@buchheimmuseum.de

Samstag, 12., 19., 26. April, 3., 10., 17., 24., 31. Mai, 14.30 Uhr
„Herr Schmitt, ich werde Sie weltberühmt machen!“
Rundgang durch die Ausstellung mit Eva-Maria Herbertz mit Lesung von Texten von Gisela Pfeiffer. Die Münchner Autorin war Schmitts „geliebte Managerin“. Teilnahme 2,50 € zzgl. Eintritt.

Sonntag, 11. Mai
Muttertag!
Ein unbeschwerter Muttertag für die ganze Familie im Buchheim Museum! Die Familienkarte kostet nur 10,- € statt sonst 19 €. Neue Liegestühle auf der Wiese mit Seeblick zum Ausruhen! Dazu im Museumscafé Picknicktüte, Getränke und Coffee to go.

Sonntag, 18. Mai, 14.30 bis 17.30 Uhr
Obstkistenwerkstatt
Workshop zum Internationalen Museumstag mit Sabine Marx für Kinder und alle Interessierte. Aus alten Obstkisten, Kronkorken und anderen Abfällen werden Schlösser, Schiffe und andere schöne Dinge gebaut. Materialien stehen zur Verfügung. Teilnahme frei mit gültiger Eintrittskarte.

Sonntag, 18. Mai, 16 Uhr
Vom Waldteich zur Berglandschaft
Rundgang zum Internationalen Museumstag mit Catrin Paul, die Einblicke in ihre restauratorische Arbeit an den Meisterwerken von Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner gibt. Teilnahme frei mi gültiger Eintrittskarte.

Sonntag, 22. Juni, 15 bis 17 Uhr
Schmitt-Quiz
Letzte Führung mit Direktor Daniel J. Schreiber zur Finissage. Um 16 Uhr Schmitt-Quiz mit Preisen! Teilnahme frei mit gültiger Eintrittskarte.

Unser individuelles Angebot
Gruppenführungen, Schulklassenführungen, Workshops
Lassen Sie sich beraten und buchen Sie unter Tel.: 08158/99 70 50 oder
info@buchheimmuseum.de


Meldungen

Hans Schmitt 'Menschliche Moderne'
Katalog zur Ausstellung im Buchheim Museum 2014, EUR 10,00 zzgl. EUR 2,50 Versandkosten
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