Lothar-Günther Buchheim - Der Fotograf

Ausstellung ab 27. April, verlängert bis 2. November 2008

Wer heute vom Fotografen Buchheim spricht, bezieht sich zumeist auf seine frühen Schwarzweißfotografien, auf seine Aufnahmen vom U-Boot-Krieg oder die Fotos, die er während des Zweiten Weltkrieges in Paris gemacht hat. Doch wer kennt schon seine farbigen Fotobilder: seine Stillleben, seine Landschafts- und Naturaufnahmen? Und wer weiß, dass Buchheim sich als akkreditierter Fotograf an die Fersen von Queen Elizabeth II. heftete, als diese mit Prinz Philip die Bundesrepublik besuchte? Wer ahnt, dass er Karl Lagerfeld porträtierte?

Die Ausstellung breitet erstmals eine Auswahl von Fotografien aus den 1970er und 1980er Jahren aus, als Buchheim sowohl in Schwarzweiß als auch in Farbe fotografierte: Der Fotoreporter wird mit dem Malerfotografen konfrontiert.

Großformatige Farbfotografien, mit der Kamera gemalte Bilder, die in Buchheims Garten und Haus, in der Voralpenlandschaft oder am Starnberger See entstanden, laden zum bloßen Schauen und Betrachten ein. Die Reportage "Staatszirkus". Mit der Queen durch Deutschland- anlässlich des Staatsbesuches von Elizabeth II. in der Bundesrepublik (22. bis 26. Mai 1978) und Fotografien, die Buchheim 1989 von Karl Lagerfeld vor und während einer Vernissage gemacht hat, sind als Schau- und Leseerlebnis konzipiert: Die Bildfolgen werden von Buchheims Texten begleitet.

Während sich Buchheim in seinen Landschafts- und Naturaufnahmen und auch in seinen Stillleben ganz in den Eindrücken und Bildern verliert, beschreibt er im "Staatszirkus", so der Vorspann des gleichnamigen, 1978 im dtv-Verlag erschienenen Buches, "die Absurdität eines staatlichen Zeremoniells, das inmitten einer technisch geprägten Welt Glanz und Gloria höfischer Festlichkeit bewahren möchte und dadurch unentwegt mit sich selbst in Widerspruch gerät. Hier liegt das Erhabene nah beim Lächerlichen; der Staatszirkus wird zur Parabel gegenwärtigen gesellschaftlichen Daseins."

Schon in jungen Jahren verfolgte Buchheim mit seiner Fotografie selbstgesetzte Ziele und Themen, entwickelte eigene Prinzipien und einen eigenen Stil. Dass er schon als Knabe malte, zeichnete und Druckgrafiken fertigte, hat seine Wahrnehmung als Fotograf, aber auch seine Art zu schreiben grundlegend geprägt. Sein subtiler Gesichtssinn reagierte wie eine hochempfindliche Membran auf äußere Reize und setzte kreative Prozesse in Gang. So bestimmend und zwingend Buchheim auch oft wirken mochte, seine Kunst bezog ihre Kraft aus der Fähigkeit zur Hingabe, und er handelte stets im Bewusstsein der Unwiederbringlichkeit des jeweiligen Augenblicks. Der Maler geht ohne Vorsatz an die Arbeit. Er ist Beute. "Was das Auge sieht", so Buchheim, "ist geheimnisvoll und wunderbar genug, um einen das Leben lang zu beschäftigen."

Buchheims bildhaftes Denken, aber auch sein Interesse an der Beobachtung des Menschen in alltäglichen oder besonderen Situationen, und sein Blick für scheinbar Nebensächliches charakterisieren schon die Aufnahmen des Siebzehnjährigen. Dass Buchheim ohne Blitzlicht, also nur mit natürlichem Licht arbeitete, verbindet ihn mit der "Available Light"- Fotografie, die dem jungen Künstler möglicherweise durch Arbeiten von Alfred Eisenstaedt geläufig war. Dazu fotografierte Buchheim fast ausschließlich ohne Stativ. Unschärfen in seinen Bildern störten ihn nicht. Denn nicht auf die  Realistik seiner Bilder kam es ihm an, sondern auf deren Aussage- und Ausdruckskraft, auf Authentizität.

Die Veränderung der Natur im Wechsel der Jahres- und Tageszeiten und die Vielfalt der Farben, Formen, Strukturen und Texturen waren für Buchheim eine permanente Herausforderung. Selten beschränkte er sich auf ein Einzelbild, zumeist entstanden Sequenzen von ein und demselben Thema. Manche Bilder werden durch heftige Farborgien bestimmt, andere wiederum durch feine, tonige Valeurs. Paukenschläge stehen neben verhaltenen Fotografien, deren Reiz sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Manche Motive, auch Bildpartien, wirken diffus und verwischt, auf anderen Aufnahmen treten die Gegenstände fest umrissen und plastisch hervor. Verrätseltes kontrastiert mit scheinbar Greifbarem. Im Morgen- und Abendlicht entfaltet die Welt der Dinge eine seltsame Magie.

Buchheim liebte unspektakuläre Landschaften, keine Panoramen. Mit Vorliebe streifte er durch unberührte, verwilderte Eck abseits der ausgetretenen Wege. An den Machtlfinger Wiesentümpeln hat er häufig gemalt und fotografiert. Immer wieder zieht es ihn ins Moor, in die Wälder, in die Feldafinger Schlucht und in den Park am See. In sommerlicher Nachmittagssonne entstehen lichte, flirrende Bilder, die an die Malerei französischer Impressionisten erinnern. Im Spätherbst fasziniert ihn das grafische Linienspiel der Äste...

Großstädte nahm Buchheim wie Landschaften und verguckte sich auch hier in den tristen Charme des abseitigen Lebens. In New York entstanden Fotobilder, die an Gemälde von Edward Hopper erinnern: ein heruntergekommenes Loft in schmutzigem Schnee, stillgelegte Hafenanlagen, Gruppen mit vereinzelten, in sich gekehrten Menschen. Dazu immer wieder der Blick auf das, was die Konsumgesellschaft ausspuckt und hinterlässt: Abfall und Müll allerorten, doch durch das Auge Buchheims als etwas Beachtens- und Betrachtenswertes in den Blickpunkt gerückt. Wie die beiden auf einer transparenten Plastikfolie liegenden Granatapfelhälften, die grüner Schimmelpilz überwuchert hat.

Zur Ausstellung erscheint eine Begleitbroschüre mit zahlreichen Fotografien von Lothar-Günther Buchheim sowie mit Texten von L.-G. Buchheim und C. Segieth zum Preis von EUR 9,90.

Dr. Clelia Segieth
Kuratorin des Buchheim Museum


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Fotos © Buchheim Museum


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