"Mein Paris" - Eine Stadt im Krieg und danach

Photographien von Lothar-Günther Buchheim

Erstmals in einer Ausstellung zu sehen: Lothar-Günther Buchheims Photographien, die er in der Kriegs- und Nachkriegszeit in Paris gemacht hat.

Sonderausstellung im Buchheim Museum ab 14.08.2004.

Zur Ausstellung erscheint ein Buch mit 139 Abbildungen in Schwarzweiß und Text von Lothar-Günther Buchheim:

Lothar-Günther Buchheim
Paris - Paris
Abbildungen und Texte von L.-G. Buchheim, Buchheim Verlag Feldafing

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In den 70er Jahren findet Buchheim in einem Holzkoffer mit den alten U-Boot-Filmen eine Schachtel mit der Aufschrift "Paris". Nach den U-Boot-Filmen vergrößert er auch diese alten Agfa-Filme. In der Dunkelkammer, beim Entwickeln, beginnt Buchheims Zeitreise zurück in das Paris der Kriegs- und Nachkriegszeit:

"Die Zeitmaschine dreht sich rückwärts: Ich bin wieder fünfundzwanzig Jahre alt, habe meine Contax II vor der Brust, Agfa-Isopan-Filme und einen winzigen Belichtungsmesser in der Tasche - für die Matrosenhose ist er schon zu groß, sie beult sich aus. Ich fahre zum erstenmal in Paris ein. Auf der Ladepritsche eines Zweieinhalbtonners der deutschen Kriegsmarine hockend, starre ich achteraus. In einem Dreiecksausschnitt, der sich aus den zurückgeschlagenen Planen und der achteren Planke bildet, flüchten Straßenzüge von mir weg: Noch jedes Firmenschild wird mir zur Offenbarung. Ich hocke da und starre auf den dreieckig beschnittenen Film. Die Erregung von damals hält mich gepackt. Die Jahre, die dazwischen liegen, sind eliminiert. Die Bilder, die mir aus der Entwicklerschale entgegensteigen und die Bilder, die die Netzhaut damals aufnahm, sind die gleichen: Alles ist wie eh und je. Diese Gleichheit hebt - so scheint es mir - die Zeitdistanz auf.

Was für eine verrückte Situation: in der engen feuchten Dunkelkammer zu stehen und dabei mit süchtigen Augen nach Paris hineinzufahren."

Die erste Ankunft ist für den jungen Maler und Kriegsberichter, der seit 1940 an der Münchner Kunstakademie studierte und im Herbst 1940 zur Kriegsmarine eingezogen wurde, "atemberaubend". "Und auch später noch nahm ich Paris wie im Rausch an die Brust, ich sog es ein, schlang es gierig in mich hinab - ein ausgehungerter Gargantua, der von der Stadt nicht genug bekommen konnte." (Buchheim)

Buchheim fotografiert ohne Vorsatz; seine Bilder entstehen "à l'occasion", "en passant". Er flaniert, er streift durch Paris, seine Neugier treibt ihn an. Paris erscheint ihm als eine allumfassende, gewaltige Stadtpersönlichkeit mit tausend verschiedenen Charakterzügen.

Buchheims Paris - das sind nicht die eleganten Wohnviertel oder die großen historischen Monumente, sondern die armen Quartiers in der Nähe der Porte Saint-Martin oder hinter dem Hôtel de Ville. Das sind die Parks, die Märkte, die Unterwelt der Métro, die Feste und der Alltag der einfachen Leute, die Bouquinisten und die Angler an der Seine, spielende Kinder, Gaukler und Artisten, Maler auf der Straße, Huren. - Buchheims Bilder erzählen vom Leben der Menschen in Paris, aber auch von der Stadtgestalt als solcher: von Straßenfluchten mit alten verrotteten Häusern und immer wieder von der Seine. Stimmungsvolle, atmosphärische Bilder stehen neben packenden Momentaufnahmen, die den entscheidenden, unwiederbringlichen Augenblick festzuhalten suchen.

Neben dem Paris der Pariser dokumentieren Buchheims Fotos aber auch die Präsenz der deutschen Besatzer in der französischen Metropole wie die täglichen Aufmärsche deutscher Wachkompanien auf den Champs-Elysées.

Als Einzelpersonen scheinen die Besatzer vom Stadtleben absorbiert und amalgamiert: in einer Gruppe von Franzosen stehend, sehen sie einem Künstler beim Malen zu oder hasten mit der Menge über den Platz vor dem Moulin Rouge.

Buchheims Bilder sind Künstlerfotos und Zeitdokumente in einem. Henry Miller fühlte sich durch Buchheims Paris-Fotos an seine eigenen Pariser Jahre erinnert und schätzte sie als "an immense labor and a labor of love". Wolfgang Koeppen resumierte: "Buchheims Bilder sind ohne Gewalt. Sie stammen von einem, der mit dem Alltag der Franzosen leben wollte, nichts weiter, friedlich, bürgerlich, freundlich, menschlich. Niemand auf seinen Bildern aus dem Krieg hätte den Krieg gewollt."


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