Ein Multitalent: Zum Tode des Schriftstellers und Sammlers Lothar-Günther Buchheim

Zorn und Leidenschaft

Die Welt vom 24.02.2007

Man hat ihn gelobt, ihm geschmeichelt, ihm diverse Orden, den Doktor- und den Professorentitel verliehen. Natürlich nicht selbstlos, sondern berechnend. Schließlich verfügte Lothar-Günther Buchheim über eine ansehnliche Expressionisten-Sammlung, die man gern in die eigene städtische Scheuer gefahren hätte. Und er hat das hingenommen, fühlte sich geschmeichelt, spürte spät erst den Haken, der an dieser Angel hing. "Weil ich nicht wahrhaben wollte, dass ich in Duisburg nicht um meiner selbst willen geliebt wurde." Das schrieb er 1985 nach dem Scheitern des Duisburger Planes, seiner Sammlung ein Museum zu errichten. Und andernorts war es ähnlich. Wenn er das endlich wahrhatte, war es vorbei mit dem Frieden. Dann wurden Bedingungen gestellt, wurde gepoltert und geschimpft. So ungewöhnlich ist das nicht einmal. "In jedem Sammler steckt ein Buchheim", schrieb der Kunstkritiker Peter Sager einmal, "der mit den Bildern fuchtelt und mit ihrem Abzug droht".

Am Donnerstagabend ist Lothar-Günther Buchheim an Herzversagen gestorben. Buchheim, der wenige Tage zuvor 89 Jahre alt wurde, war ein Sammler par excellence. "Sammeln ist sicher eine Verrücktheit und das Natürlichste auf der Welt", sagte er einmal. "Jeder Mensch ist Sammler, es wird ihm nur ausgetrieben. Psychopathologisch wird's erst durch die Probleme mit der Umwelt." Daran hat es Buchheim kaum gemangelt. Nicht nur als Sammler. Denn das war nur eine seiner Facetten. Er war Verleger, Galerist und Kunsthändler, versuchte sich als Auktionator, er malte stets, fotografierte, reüssierte als Autor. Er hatte viele Ideen. Und viel Ärger, weil das, was er sich vorstellte, wünschte, erhoffte, nur mit Abstrichen zu verwirklichen war. Das musste der Autor und Verleger eines Standardwerks über den "Blauen Reiter" nach dreizehn Prozessjahren gegen Nina Kandinsky erfahren. Das erlebte er bei der Verfilmung seines Romanbestsellers "Das Boot", mit der er dann nichts mehr zu tun haben wollte. Und das blieb ihm auch - trotz des Happy Ends in Bernried - bei seinem lange geplanten "Museum der Phantasie" nicht erspart.

Lothar-Günther Buchheim wurde am 6. Februar 1918 in Weimar geboren. Unehelich, was damals als Makel betrachtet wurde. Seine Mutter, die Malerin Charlotte Buchheim, muss eine recht exzentrische Person gewesen sein. Er wuchs teils bei den Großeltern, teils bei der Mutter, mal in Rochlitz, mal in Chemnitz auf.

"Während der Schulzeit begann ich neben meiner eigenen Arbeit für Zeitungen zu schreiben, Texte, die zum Teil mit meinen Arbeiten illustriert wurden. Ich schrieb, noch ein Knabe, für alle großen Chemnitzer Zeitungen, ohne dass eine Redaktion es von der anderen erfahren durfte. Auch für den 'Kämpfer', die kommunistische, und 'Die Volksstimme', eine sozialdemokratische Zeitung", erinnerte er sich später. Da hätte er bestenfalls 14 Jahre alt sein können, denn 1933 war es mit diesen Zeitungen vorbei. Das war das Jahr, in dem er seine erste Ausstellung hatte. Und zwei Jahre später, 1935, erschien als früher Hymnus das Buch "Lothar-Günther Buchheim, ein ganz junger Künstler". (...) 1937 begann er ein Kunststudium in Dresden, bemühte sich erfolgreich um einen Wechsel nach München.

Zuvor hatte er 1938 allein eine Paddelbootfahrt donauabwärts bis ans Schwarze Meer unternommen und darüber 1941, wiederum mit eigenen Bildern illustriert, das Buch "Tage und Nächte steigen aus dem Strom. Eine Donaufahrt" veröffentlicht. Das nächste Buch, 1943 gedruckt, spielte in einem weit weniger friedlichen Milieu. "Jäger im Weltmeer" schildert die Erlebnisse des Kriegsfreiwilligen Lothar-Günther Buchheim, der es in der Propagandakompagnie der Kriegsmarine bis zum Oberleutnant brachte. Sein großer Erfolg, "Das Boot" von 1973, wie die Folgebände "Zu Tode gesiegt" (1988), "Die Festung" (1995), "Der Abschied" (2000), greifen auf diese Marine- und U-Boot-Erfahrungen als Kriegsberichterstatter zurück.

Nach Kriegsende hatte sich Buchheim zunächst auf anderen Feldern versucht. Vor der Währungsreform fertigte er in Feldafing unter dem Signum "Kunsthandwerkliche Werkstätten" jede Menge Hinterglasbilder und Holzfiguren mit Zirkusmotiven. Er kam knapp über die Runden. Viel leichter war das anfangs auch nicht, als er 1949 in Frankfurt mit seiner ersten Frau eine Kunstgalerie eröffnete und sich als Auktionator zu etablieren versuchte. Die erste und einzige Versteigerung endete im Streit mit seinem Partner.

Dagegen gewann er mit seinem Kunstbuchverlag seit 1952 langsam Terrain. Nicht zuletzt, weil er sein eifrigster Autor war. Inzwischen hatte er, nicht nur als Händler, seine Liebe zur französischen Moderne und den deutschen Expressionisten entdeckt. Er verfasste in rascher Folge schmale, gut illustrierte Bände über Georges Braque, Pablo Picasso, Henri Matisse, Raoul Dufy, Henry de Toulouse-Lautrec, Max Beckmann, Pierre Bonnard und gab 1955 ein erstes "Lexikon der modernen Kunst" heraus. 1956 erschien "Die Künstlergemeinschaft Brücke", 1959 folgte "Der Blaue Reiter und die 'Neue Künstlervereinigung München'". Seine Sammlung, hat Buchheim später einmal erklärt, sei nur entstanden, weil es damals billiger war, gleich die Bilder, als die Rechte für die Bücher zu erwerben. Dann aber begann erneut ein ausgedehnter Streit: Nina Kandinsky ging vor Gericht. Sie fand, Buchheim habe das Copyright an den Bildern ihres Mannes missachtet und habe sie nicht in einem wissenschaftlichen Zusammenhang zitiert, sondern allein als Augenfutter reproduziert. Nach 13 Jahren bekam sie 1973 schließlich vor dem Bundesgerichtshof Recht.

1980 beginnt dann jenes Satyrspiel, das Buchheim Epitheta wie "Das Monster von Feldafing" oder "Vulkan vom Starnberger See" eingetragen hat. Weil Erich Steingräber, der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlung, ablehnte, Buchheims Expressionisten-Sammlung so umfangreich zu präsentieren, wie sich das der Sammler vorstellte, kündigte er die Münchner Leihgabe auf und schickte seine Expressionisten bis 1985 erst einmal auf eine Tournee rund um den Globus. Währenddessen vereinbarte er mit Duisburg, dass die Stadt einen Anbau an das Lehmbruck-Museum finanziert, in dem die Expressionisten als Dauerleihgabe eine Heimat finden sollten. Aber als der Rohbau stand, fand er, daß der nicht angemessen sei. Zugleich kamen immer mehr seine sonstigen Sammlungen ins Spiel, die von Karussellfiguren, Hinterglasbildern und 3000 Briefbeschwerern über Masken und Folklore aus aller Welt bis zu populären Druckgraphiken und Kunstwerken von Naiven reichten. Damit war Duisburg gescheitert.

Danach machen sich München mit der Isarinsel, Berlin, Chemnitz (das Buchheim in vorauseilender Freude zum Ehrenbürger ernannte) und Weimar Hoffnungen. Aber auch daraus wurde nichts. Schließlich sollte die Villa Maffei in Feldafing, wo Buchheim seit langem wohnte, zum Buchheim-Museum umgebaut werden. Doch in einem Volksentscheid lehnten die Feldafinger 1997 das Projekt ab, sie fürchteten die Touristenströme.

Auch mit Chemnitz gab es nachträglich Ärger, weil das Museum, das Malereien und Zeichnungen Buchheims ausstellen wollte, seinen eigenen Kopf hatte - vor allem in Bezug auf die Propagandazeichnungen aus dem Zweiten Weltkrieg. Zornentbrannt gab Buchheim die Ehrenbürgerschaft zurück. Den "Piraten" nannte man ihn inzwischen. Seit einer Operation musste er eine Augenklappe tragen, die er als grimmiges Wahrzeichen einfach behielt.

Ende der Neunzigerjahre reiften endlich seine Museumspläne. Bernried, die Nachbargemeinde von Feldafing, war bereit, Buchheims "Museum der Phantasie" aufzunehmen. Und da sich die Bayerische Staatsregierung kräftig an der Finanzierung beteiligte, konnte das Haus nach dem Entwurf von Günter Behnisch schließlich im Mai 2001 eröffnet werden. Nicht ohne dass Buchheim grummelte: "Ich wünsche mir viele Leute hier. Aber wenn sie da sind, will ich sie lieber nicht sehen."

Trefflich geschildert hat ihn Günter Rohrbach zum 65. Geburtstag in Duisburg - noch vor dem Eklat: "Sie haben mich um eine Laudatio für Buchheim gebeten, Herr Oberbürgermeister. Ich habe das Gefühl, dass daraus eher eine Art Warnung geworden ist, Warnung vor einem Menschen voller Widersprüche. Er ist streitbar und kämpferisch, naiv und gerissen, sensibel und verletzlich. Er ist widerborstig und zärtlich, mutig und scheu. Er ist genau bis zur Pedanterie und unerbittlich gegenüber jeder Art von Nachlässigkeit. Er hasst Schmeicheleien und ist doch voller Sehnsucht nach Liebe. Sie haben ihn sich eingebrockt, meine Damen und Herren. Sehen Sie nun zu, wie Sie damit fertig werden."


Pressespiegel

Besuchen Sie uns auf Instagram