Eröffnung des Buchheim Museums

Rede von Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber

Wir alle haben heute guten Grund zur Freude und zum Feiern. Was lange währt, wird endlich gut! Das "Museum der Phantasie" hat Gestalt angenommen. Es ist kein Luftschloss geblieben, obwohl es selbst lange ein Objekt der Vorstellungskraft war. Knapp drei Jahre nach dem ersten Spatenstich können wir es heute offiziell eröffnen.

Es ist dies ein großer Tag für die Kunst, für Bayern und in erster Linie natürlich für Sie, lieber Herr Buchheim!

Mit der Eröffnung des "Museums der Phantasie" geht einer Ihrer lang gehegten und zielstrebig angesteuerten Träume in Erfüllung. Die Sammlung, die Sie zusammen mit Ihrer Gemahlin die Jahrzehnte hindurch mit Leidenschaft und höchster Kompetenz erworben und zusammengetragen haben, erhält heute eine ihrer Einzigartigkeit und Bedeutung angemessene Heimstätte.

Hier in Bernried am Starnberger See, auf einem der schönsten Fleckchen Erde zwischen Donau und Alpen, ist Ihre ganz persönliche Idee und Ihr Verständnis von Kunst in Stein, Holz und Glas Wirklichkeit geworden. Mitten in der paradiesischen Landschaft Oberbayerns ist unter starken Geburtswehen und mit einiger Hebammenkunst ein prachtvolles Geschöpf auf die Welt gekommen: Ihr "Museum der Phantasie".

Wer Sie kennt, weiß, dass Sie das Wort "Museum" nicht sonderlich schätzen. Es klingt allzu sehr nach "Mausoleum" und genau das will das "Museum der Phantasie" ja nicht sein. Nach Ihrer Konzeption und Intention soll es ein Ort der Imagination sein, ein Ort, der Kunst atmet und den Besucher verführt, Kunst neu zu sehen und neu zu verstehen.

Auch mir haben Sie in Sachen Kunst die Sinne geschärft: Ich erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten oder zweiten Besuch in Ihrem Haus. Sie führten mich in Ihrem Wohnzimmer geradezu gezielt nicht zu einem Ihrer Picassos, Beckmanns oder einem anderen großen Expressionisten Ihrer Sammlung. Sie führten mich zu einer kleinen Sammlung von ....Heugabeln aus Frankreich. Heugabeln, Sie haben richtig gehört! Das Besondere an ihnen ist, dass sie ihre Form ohne handwerkliches Zutun erhalten. Sie werden am Spalier gezüchtet. Es sind die einzigen Heugabeln, die in der Natur wachsen und die dann über Feuer geschwenkt und zum Teil einfache Ziermuster aufgebrannt bekommen.

Es hat mich beeindruckt, wie ein selbstverständlicher Gegenstand auf ganz un-selbstverständliche Art hergestellt durch eine noch weniger selbstverständliche Sichtweise zu Kunstehren kommen kann.

Die Episode hat mir aber auch die Augen geöffnet für den Sammler Buchheim und sein unkonventionelles Verständnis von Kunst und Kunstwerken.

Doch das ist nur eine Facette der vielschichtigen Persönlichkeit des Künstlers, Bestseller-Autoren und Wissenschaftlers Buchheim. Was andere und auch mich immer wieder fasziniert an Buchheim ist seine überbordende Kreativität und seine Leidenschaft zu arbeiten. Und es ist die Wucht, mit der er traditionelle Denkschablonen und Klischees durchbricht. Buchheim provoziert und polarisiert. Er will provozieren und polarisieren und er schafft es auch immer wieder, wie fast alles, was er sich vorgenommen.

Aber Ihr ungeheures Lebenswerk, das Kraftwerk Buchheim fordert unser aller Respekt. Sie haben mit höchster Kompetenz und größter Leidenschaft neue und unkonventionelle Wege eingeschlagen.

Unkonventionell wie Ihre Person ist auch das Museumskonzept. Hier werden Grenzen überschritten, die normalerweise von Museen strikt eingehalten werden.

- Im "Museum der Phantasie" hängen Gemälde neben Grafiken. Das macht unterschiedliche Lichtverhältnisse erforderlich. Dass das eine besondere Herausforderung sein kann, haben wir in den letzten Tagen noch erfahren können.

- Im Museum hängen Volkskunst, völkerkundliche Kunst und hohe Kunst gleichberechtigt nebeneinander.

- In diesem Museum wird der Ernst der großen Kunst aufgelockert durch den Sinnenreiz von Wunderkammern.

Das "Museum der Phantasie" ist die Galerie eines Künstlers. Es ist kein kunsthistorisch geprägtes Museum. Es ist keine Sammlung, die dem Besucher mit didaktisch erhobenem Zeigefinger entgegentritt.

Hier haben wir ein Museum, das den Besucher über die Augen zur Kunst hinführen will. Hier hat es sich ein genialer Kunstverständiger erlaubt, gegen den offiziellen Trend, anders als dies öffentliche Museen tun können, zu sammeln und zu kaufen. Gerade das macht den Reiz der Sammlungen Buchheim aus.

Dieses Konzept kommt an! Die Sammlung Buchheim war bei der großen Ausstellung im Sommer 1998 die bis dahin bestbesuchte Ausstellung im Haus der Kunst in München. In den 80-er Jahren war die Sammlung in allen Kunstmetropolen der Welt von Tokio bis nach Tel Aviv, von Spanien bis in den USA zu sehen. Sie hat überall begeisterte Aufnahme gefunden. Buchheim wurde als Kulturbotschafter Deutschlands weltweit anerkannt.

Dieses Kulturjuwel, das lange auf Wanderschaft war, hat jetzt hier in Bernried seine ihm gemäße Fassung erhalten. Der Museumsbau setzt das Konzept und die Intention des Stifters der Sammlung so gut um, wie eine Idee in Stein gefasst werden kann. Dem Architekten ist es gelungen, Naturschönes mit Kunstschönem zu verbinden. Das Gebäude integriert sich hervorragend in eine herrliche Parklandschaft. Über Stege und Balkone öffnet sich der Bau der umgebenden Natur. Im Inneren bietet eine klare Architektur dem Betrachter immer neue Perspektiven und Blickwinkel. Auch dem Architekten, Professor Behnisch, gilt deshalb an diesem Tag unser besonderer Dank.

Sie alle wissen: Über die Gestaltung des Museums, wie es sich uns heute darbietet, wurde bis in die Details lange und auch kontrovers gerungen. Am Tag der Eröffnung können wir feststellen: Das Ergebnis rechtfertigt die Mühen und den Einsatz. Der Bau ist ein Stück Architektur, das - ich zitiere die Süddeutsche Zeitung - "seinem kapriziösen Inhalt ... ausdrücklich gerecht wird, auch wenn die Objekte und das Gehäuse sich partienweise so heftig bekriegen wie die beiden Herren aus Sachsen, denen sie ihre Existenz verdanken." (Soweit die Süddeutsche Zeitung!)

Gewonnen haben beide Herren, auch wenn das heute nicht jeder der beiden so sieht. Gewonnen aber hat auf alle Fälle die Kunst in Bayern.

Ich bin stolz, dass wir die Sammlungen Buchheim in Bayern haben. Das ist gar nicht so selbstverständlich. Ich erinnere mich noch gut daran, als Sie, Herr Buchheim, vor etlichen Jahren, es dürfte Herbst 1994 gewesen sein, bei mir anriefen. Sie sagten mir, Sie wollten mit Ihren Sammlungen nach Thüringen gehen. Sie kämen in Bayern, trotz der Unterstützung durch Franz Josef Strauss, nicht weiter. Ich bin froh, dass wir Sie damals davon abbringen konnten, nach Erfurt zu gehen. Ich hoffe, Sie sind es auch.


Meine Damen und Herren,

Bayern hat eine reiche Museumslandschaft. Kunstkenner und Kunstfreunde kommen hier voll auf ihre Kosten. Ich denke dabei nicht nur an die Kulturhochburg München mit ihrem vielfältigen und hochkarätigen Angebot.

In den vergangenen Jahren haben wir die bayerische Museumslandschaft erweitert, wie das in dieser Dichte seit den Tagen König Ludwigs I. nicht mehr der Fall war. Dazu gehören die beiden großen Museen in München und Nürnberg, die "Pinakothek der Moderne" und das "Neue Museum". Es gehören dazu die Gründung des internationalen Künstlerhauses in Bamberg und der Museumsneubau für die Sammlungen Schäfer in Schweinfurt.

In diese Kulturszenerie hinein setzt das "Museum der Phantasie" nicht nur ein neues Glanzlicht, das weit über die Grenzen Bayerns hinaus strahlen wird.

Mit dem "Museum der Phantasie" schließen wir im Freistaat auch eine kultur-historische Lücke. Der Expressionismus, ein besonderer und wichtiger Beitrag Deutschlands zur Kunst des 20. Jahrhunderts, ist in bayerischen Museen zwar markant, aber nicht so vertreten, wie es seinem kunstgeschichtlichen Stellenwert entspricht. Ein Manko, das jetzt behoben ist. Ab heute hat der Expressionismus, der 12 unselige Jahre in Deutschland verfemt und angefeindet war, in Bayern ein angemessenes Domizil. Auch aus diesem historischen Aspekt heraus ist es von Bedeutung, dass die Expressionisten hier eine solche Heimat bekommen.

In den Sammlungen Buchheim sind Werke fast aller Großen des deutschen Expressionismus zu finden. Die Sammlung bietet ein Panorama von Kirchner über Nolde bis Dix und von Schmidt-Rottluff über Pechstein bis Beckmann.

Klingende Namen! Aber nicht weniger bekannt sind die Vertreter der sogenannten zweiten Generation der Expressionisten, die hier vertreten ist: Feininger, Kokoschka oder Rohlfs. Der breiten Öffentlichkeit bekannt sind zentrale Werke der Sammlung, "Der Blaue Kopf" von Jawlensky beispielsweise oder die "Norwegische Landschaft" von Kirchner. Sie haben in der Briefmarkenserie "Expressionisten" der Deutschen Bundespost 100.000-fache Verbreitung gefunden.

Abgerundet wird die Sammlung mit rund 500 Blatt meist grafischer Arbeiten der französischen Gegenwartskunst, darunter Werke von Picasso, Braque und Chagall.

Von dieser Sammlung, einer der weltweit größten privaten Expressionismus-Sammlungen, schwärm-te schon vor fast 30 Jahren Schmidt-Rottluff voller Begeisterung: "Die Sammlung ist ... ja eine ganze Nationalgalerie!"

Dieser reiche Bestand hat auf 3200 Quadratmeter Ausstellungsfläche natürlich nicht Platz. Nur etwa ein Drittel des Depots kann aktuell gezeigt werden. Diese Beschränkung hat aber auch ihre positiven Seiten: Die Größe des Bestands ist Garant für die anhaltende Attraktivität der Ausstellung.

An Interesse seitens eines breiten nationalen und internationalen Publikums wird es deshalb sicher nicht fehlen. Das Museum wird sich nach der Eröffnung zu einem regelrechten Besuchermagneten entwickeln. Schon während der Bauzeit sind Tausende von schriftlichen Anfragen nach Führungen durch den noch unfertigen Bau eingegangen.

Man kann der ganzen Gemeinde Bernried, Ihnen Herr Bürgermeister Eberl, dem Gemeinderat und allen Bürgerinnen und Bürgern nur danken für die Offenheit, mit der Sie von Anfang an dieses Museum auf- und angenommen haben. Als kleines Zeichen der Wertschätzung habe ich einen zweiten Riesenkuchen mitgebracht, der nur für die Bernrieder bestimmt ist.

Wir alle können wirklich zufrieden sein, dass die Sammlung Buchheim hier in Bernried vor Anker gegangen ist.

Danken möchte ich an dieser Stelle aber auch allen, die durch Erfüllung ihrer Pflicht und durch Engagement ihren Teil zur Realisierung des Museums beitragen haben.

Ich danke der Bauverwaltung, der Obersten Baubehörde und dem Staatlichen Hochbauamt, für die exzellente Betreuung der Baumaßnahmen.

Mein Dank für das durchführende Bauunternehmen, der Dyckerhoff und Widmann AG, geht an den Vorstandsvorsitzenden der Walther-Bau, geht an Sie, Herr Dr. Wolf. Er geht aber auch an alle Bauarbeiter, die hier gute Arbeit geleistet haben.

Danken möchte ich auch Herrn Ernst, der mit seinem Engagement eine Initialzündung für die Errichtung des Museums ausgelöst hat.

Danken möchte ich auch Herrn Dr. Zeitler, für seine Geduld, seine Kompetenz und sein ausgleichendes Wesen, mit der er die Jahre hindurch das Werden des Museums von staatlicher Seite her begleitet hat.

Danken muss ich in erster Linie aber Ihnen, Frau Buchheim. Ich darf es auf einen kurzen Nenner bringen: Ohne Sie gäbe es das "Museum der Phantasie" nicht.

Meine Damen und Herren, ich bin in der Vergangenheit immer wieder gefragt worden, warum sich der Freistaat, warum ich mich persönlich für dieses Museum und die Sammlungen Buchheim engagiere. Ich kann es hier nur wiederholen:

Wie jede Generation vor uns so haben auch wir heute Verpflichtungen den kommenden Generationen gegenüber.

- Wir haben eine wirtschaftlich-technologische Verpflichtung. Wir haben die Aufgabe, unser Land fit zu machen, für die globalen Herausforderungen der Zukunft. Auf diesem Gebiet haben wir in Bayern wichtige Schritte nach vorne gemacht. Bayern ist zu einem Synonym für wirtschaftlich-technologischem Fortschritt geworden. Mit berechtigtem Stolz können wir feststellen, dass Bayern heute in der Wirtschaft zu den Spitzenstandorten in Europa und weltweit zählt.

- Wir haben unseren Kindern gegenüber eine ökologische Verpflichtung. Es ist selbstverständlich, dass wir unseren Kindern nicht nur einen ausgeglichenen Staatshaushalt übergeben wollen, sondern auch eine intakte und lebenswerte Umwelt.

- Und wir haben auch die Verpflichtung, nachfolgenden Generationen eine kulturell lebendige Welt zu hinterlassen. Wir haben den Auftrag, ihnen ein möglichst reiches Kulturerbe zu erhalten.

Das "Museum der Phantasie" ist ein wichtiger Bestandteil in einem Gesamtkonzept, mit dem wir im Rahmen der "Offensive Zukunft Bayern" die kulturelle Ausstrahlung unseres Landes stärken wollen.
Aus den Privatisierungserlösen haben wir einen mit 300 Mio. DM dotierten Kulturfonds aufgelegt.
Mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe machen wir deutlich, welche Bedeutung der Freistaat der Kulturförderung schon allein materiell beimisst.

Deutschland wird auf Dauer nicht Wirtschaftsmacht und beneideter Sozialstaat bleiben können, wenn es nicht gleichzeitig auch Kulturnation ist. Und das ist viel mehr als nur ein weicher Standortfaktor.

Die Deutsche Kultur hat ihre Kraft immer aus Vielfalt und Wettbewerb gewonnen. Mit einem gewissen Unbehagen sehe ich deshalb Ansätze, die kulturellen Gewichte in Berlin zu zentralisieren. Diesem Prozess möchte ich rechtzeitig begegnen.

Bayern ist dazu wie kein anderes Land geeignet.
Es ist das bauliche und künstlerische Erbe unserer Vergangenheit mit einer in Jahrhunderten entwickelten Kulturlandschaft. Es ist die kulturell-ästhetische Gesamtsituation in Bayern, die Menschen aus aller Welt alljährlich in unser Land lockt. Diese "ästhetische Gesamtsituation" bereichert das "Museum der Phantasie" und die Sammlungen Buchheim um ein weiteres Glanzlicht.

Deshalb hat der Freistaat für das "Museum der Phantasie" unter dem Strich Mittel in Höhe von gut 33 Mio. DM bereitgestellt. Zudem übernehmen wir zwei Drittel der jährlich anfallenden Betriebskosten.

Aber heute, am Tag der feierlichen Eröffnung des "Museums der Phantasie", soll nicht über Geld geredet werden. Es ist eine Zeitungsmeldung für einen Tag, wenn irgendwo in der Welt ein Beckmann für 45 Millionen versteigert wird. Morgen schon ist die Summe uninteressant. Was bleibt ist die Idee, die Kreativität, die im einzelnen Kunstwerk ihre Umsetzung erfährt und die späteren Generationen etwas vermittelt von unserer Zeit und ihrer geistigen Ausformung. Was letztlich bleibt, was die Zeiten überdauert, ist die Kunst!

Deshalb engagiert sich der Freistaat Bayern für Kunst und Kultur und deshalb stehen wir zu diesem "Museum der Phantasie" .

Meine Damen und Herren,

die klassische Antike prägt bekanntlich bis heute unser Denken. Es kann deshalb nicht verkehrt sein, dort auch Anleihen für den richtigen Umgang mit Kunst und Kultur zu nehmen. Für die heutige Situation scheint mir das Beispiel des Museums im antiken Alexandria besonders geeignet. In schwieriger Zeit wurden dort folgende Regularien eingeführt:
- Erstens, es wurde ein gemeinsamer Speiseraum eingerichtet.
- Zweitens, die Leitung des Museums wurde in die Hände eines erfahrenen Marineoffiziers gelegt.
- Und drittens, die Mitglieder des Museums wurden steuerfrei gestellt.

Nun, das "Museum der Phantasie" verfügt über eine eigene Cafeteria und auch heute ist für ausreichende und gut bayerische Bewirtung gesorgt.

Bei der Leitung des Museum haben wir uns ebenfalls geradezu buchstabengetreu an das antike Vorbild gehalten. Sie liegt bei Lothar-Günter Buchheim in den Händen eines ehemaligen Marineoffiziers. Ich bin mir sicher, er wird das Museumsschiff auch künftig mit fester Hand steuern.

Aber sehen sie es mir nach, wenn wir beim dritten Punkt von der antiken Vorlage abweichen. Wir können nicht alle Freunde des Museum steuerfrei stellen. Das würde zwar die Sorgen dieses und aller anderen Museen auf immer beseitigen. Aber ich fürchte, ein solcher Präzedenzfall hätte für den Staat unabsehbare Folgen. Wer sollte dann neue Museen finanzieren.

Ich eröffne das "Museum der Phantasie" und wünsche dem Haus und der Leitung Erfolg und die gebührende Anerkennung.

(Es gilt das gesprochene Wort.)


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